Victoria plc
Victoria ist Europas neue Nr. 1 bei textilen Belägen
Von 77 Mio. auf 1 Mrd. GBP (1,1 Mrd. EUR) Umsatz in gerade einmal zehn Jahren - die Bilanz der britischen Victoria Group kann sich sehen lassen, auch wenn das Umsatzwachstum des 1895 als Gobelinweberei im schottischen Kirkcaldy gegründeten Unternehmens zum allergrößten Teil auf Zukäufe zurückzuführen ist. Unbeeindruckt von Finanzkrisen oder Brexitfolgen fährt die Firmengruppe seit 1989 einen konsequenten Expansionskurs. Bis dahin war die Strategie eher von organischem Wachstum geprägt, etwa mit dem Markteintritt in Australien Mitte der 1950er Jahre. Aber in den 1990ern und dann verstärkt in den 2010ern folgte ein Zukauf auf den anderen. In Großbritannien, Irland und Australien wurden etablierte Zulieferer, Hersteller und Distributeure übernommen, die Marktstellung ausgebaut. Das europäische Festland blieb dabei zunächst außen vor.
Das änderte sich mit der Verpflichtung von Philippe Hamers als CEO im Jahr 2017. "Bei unseren Expansionsplänen für den wachsenden europäischen Bodenbelagsmarkt werden wir von seiner internationalen Erfahrung und seinen Kontakten in der Industrie profitieren", erklärte damals Executive Chairman Geoff Wilding, nachdem Victoria kurz zuvor mit der Übernahme des belgischen Herstellers Lano gescheitert war. Hamers ist Belgier, war in der Vergangenheit in leitenden Positionen bei Balta, Beaulieu International Group, Ideal sowie Lano tätig und kann für seinen jetzigen Arbeitgeber inzwischen eine lange Liste an internationalen Übernahmen vorweisen, unter anderem Avalon, Edel, Grassinc (alle Kunstrasen) und Estillon (Verlegeunterlagen) in den Niederlanden, Millennium Weavers (Teppichboden) und Ragolle (Maschinenwebteppiche) in Belgien, Produzenten keramischer Bodenfliesen in Italien, Spanien und der Türkei sowie der US-amerikanische Bodenbelags-Distributeur Cali Bamboo. Jüngster Coup war 2022 der Erwerb von Teilen der belgischen Balta Gruppe (Geschäftsbereiche Rugs, Residential Polypropylene und Non-Woven) inklusive der Markenrechte.
Damit ist Victoria nun die Nummer eins unter den europäischen Herstellern textiler Bodenbeläge. Das Sortiment des Konzerns umfasst neben den bereits genannten Produktgruppen auch Designbeläge, die als Handelsware zugekauft werden. Derartig breit aufgestellt, kann der ehemalige Teppichbodenspezialist aktuelle Marktschwankungen in einzelnen Segmenten ausgleichen.
Ganz frei von wirtschaftlichen Zwängen sind die Briten jedoch nicht. Seit der Einstellung der Produktion am heutigen Firmensitz im englischen Kidderminster bei Birmingham im Jahr 2017 gibt es auf der Insel nur noch zwei Victoria-Teppichbodenwerke. In denen werden inzwischen auch die Produkte für Millenium Weavers hergestellt - die Fabrik im belgischen Ronse wurde 2021 stillgelegt -, in Zukunft auch die Polypropylen-Ware der Marke Balta, die bislang in Sint-Baafs-Vijve gefertigt wurde. Balta-Garne kommen jetzt nicht mehr aus Avelgem, sondern aus der Türkei.
Die Integration der jüngst übernommenen Firmen läuft nach Angaben des Unternehmens planmäßig. Die Zahlen für das Geschäftshalbjahr 2022/23 (1. Oktober) weisen nicht nur ein Umsatzplus von 59 % auf 776 Mio. GBP aus, auch der operative Gewinn hat sich auf 82 Mio. GBP vervierfacht. Vor diesem Hintergrund heißt es im Geschäftsbericht: "Wir werden weiterhin Gespräche mit potentiellen Verkäufern führen und aktiv nach neuen Akquisitionsmöglichkeiten suchen."
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BTH Heimtex 03/23
(Wirtschaft)